Gedenken an Fred Meier
Pressespiegel
zur Veranstaltungsreihe anlässlich des 60. Jahrestages der
Deportation des dreijährigen Kindes Fred Meier aus Kreuztal
Westfälische
Rundschau vom 16.01.2003
Jugendliche erinnern an 60. Jahrestag
Fred Meier war jüngstes Opfer
Kreuztal-Littfeld. Es war im Sommer 1982, als
eine Gruppe von Jugendlichen das Thema aufgriff: die Verschleppung des
dreijährigen Fred Meier aus Littfeld im März 1943.
Seit exakt 20 Jahren, seit dem 1983 wird Ende Januar an die Deportation
des jüdischen Kindes und seiner Mutter erinnert, die von den
Nazis mit den übrigen Juden Littfelds vermutlich nach Sobibor
gebracht und dort ermordet wurden.
Zunächst fand die Gedenkfeier am 30. Januar
statt, dem Jahrestag der Machtübergabe an Hitler im Jahre
1933. Seit 1996 ist die Erinnerungsstunde auf den 27. Januar gelegt -
dem Tag der Befreiung von Auschwitz, den der damalige
Bundespräsident Roman Herzog zum nationalen Gedenktag
für die Opfer des Nationalsozialismus ausrief. Für
die Stadt Kreuztal steht die alljährliche Zusammenkunft am
Fred-Meier-Platz vor dem Feuerwehrhaus in Littfeld seither unter dem
Eindruck der Opfer aus der eigenen Bevölkerung und aller
während der braunen Schreckensherrschaft ermordeten Menschen
schlechthin.
Auslöser für die 38 Jahre nach
Kriegsende begonnenen Gedenkfeiern waren die Studien einer Gruppe von
Jugendlichen aus Kreuztal: Der „Antifaschistische
Arbeitskreis” gehörte zur Gesellschaft für
christlich-jüdische Zusammenarbeit und arbeitete das Schicksal
der Juden aus Littfeld auf. Sie bildeten eine der
größten Gruppen des Siegerlandes, wovon auch die
Existenz des jüdischen Friedhofs in Burgholdinghausen zeugt.
Die Angehörigen einer Generation, die Nazi-Gräuel
glücklicherweise nur aus den Geschichtsbüchern
kannte, nahmen die Spur auf.
Die Forderung nach einer Gedenkstätte in
Littfeld war 40 Jahre nach der Deportation nicht unumstritten. Doch die
politischen Gremien setzen im fünfzigsten Jahr nach der so
genannten "Machtergreifung" ein Zeichen und etablierten die
städtische Gedenkfeier. Seither wird alljährlich
daran erinnert, dass Menschen von uniformierten Schlägern aus
ihren Häusern geholt und mit Viehwaggons in die
Vernichtungslager transportiert wurden. So auch der
dreijährigen Fred Meier, Sohn der alteingesessenen Familie
Meier, der noch auf dem Littfelder Bahnsteig aus den Armen seiner
Mutter gerissen wurde.
Gestaltet werden die Gedenkfeiern von Zeitzeugen und
Theologen. Auch Jugendliche wirken mit. Allerdings ist es in all den
Jahren trotz wiederhohlter Einladung an die Schulen in der Stadt nicht
gelungen, an diesem Tag eine nennenswerte Zahl von Lehrern und
Schülern am Fred-Meier-Platz zu versammeln, wo der
Bürgermeister traditionell seinen Kranz niederlegt.
Veranstaltungen im „Glonk”
Besucher und Mitarbeiter des Jugendtreffs
„Glonk” gehören seit einigen Jahren zu den
aktivsten Beteiligten der Gedenkfeier, die wieder am Montag, 27.
Januar, um 15.30 Uhr in Littfeld stattfindet. Zum 60. Jahrestag der
Deportation von Fred Meier sind zwei weitere Veranstaltungen geplant:
Am Dienstag, 21 Januar, gibt es um 19.30 Uhr ein
Zeitzeugengespräch mit Peter Gingold, der heute 87 Jahre ist
und 1933 nach Frankreich ausgewiesen wurde. Er war in der
französichen Widerstandsbewegung aktiv und wurde 1943 von den
Nazis verhaftet, konnte ihnen jedoch entkommen und kämpfte
anschließend mit den italienischen Partisanen. Am Tag vor der
Gedenkfeier, am 26. Januar, gibt es um 17 Uhr im Glonk eine
Filmvorführung: Gezeigt wird „Stern ohne
Himmel” nach dem gleichnamigen Roman von Leonie Ossowski, in
dem es um eine Gruppe von Schülern geht, die sich Ende des
Kriegs versteckt und auf einen jüdischen Flüchtling
trifft.
[Übersicht]
Siegener Zeitung vom 16.01.2003
Veranstaltungsreihe zum Gedenken:
Vor 60 Jahren deportierten Nazis dreijährigen
Fred Meier
Zeitzeugengespräch mit Peter Gingold im
Mittelpunkt
sz Littfeld. In
diesem Jahr jährt sich zum 60. Mal die Deportation des damals
dreijährigen Fred Meier aus Littfeld. Die Gesellschaft
für
Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die Stadt Kreuztal
nehmen dies
zum Anlass für eine Veranstaltungsreihe zum Gedenken an den
Holocaust.
Den Auftakt bildet im Jugendtreff Glonk am Dienstag, 21. Januar, ab
19.30
Uhr ein Zeitzeugengespräch mit Peter Gingold.
Geboren 1916 in
Aschaffenburg, wurde Gingold 1933 verhaftet und nach Frankreich
ausgewiesen,
wo er in der »Résistance« aktiv war und
nach Inhaftierung und
Folter den Nazis durch eine List entkommen konnte. Heute ist er
Sprecher der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und Vorstandsmitglied des
Auschwitzkomitees in Deutschland. Die zweite Gedenkveranstaltung: Am
Sonntag, 26. Januar, wird um 17 Uhr im »Glonk« der
Film
»Stern ohne Himmel« nach dem gleichnamigen Roman
von Leonie
Ossowski gezeigt.
Den Abschluss der
Veranstaltungsreihe bildet am Montag, 27. Januar, um 15.30 Uhr eine
Gedenkstunde für die Opfer des Holocaust auf dem
Fred-Meier-Platz in
Littfeld.
[Übersicht]
Siegener Zeitung
vom 17.01.2003
Holocaust-Gedenken unter VVN-Mitwirkung
sz Littfeld. Der
„Fehlerteufel”
hat sich in der gestrigen
Ausgabe eingeschlichen. In der Ankündigung der Gedenkreihe zum
Holocaust wurden irrtümlich die Gesellschaft für
Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die Stadt Kreuztal als
Organisatoren genannt. Wie Anja Mertens, Leiterin des Jugendtreffs
Glonk,
betonte, trifft dies nur auf die Gedenkstunde am Montag, 27. Januar,
zu.
Für das Zeitzeugengespräch mit Peter Gingold und die
Aufführung des Films „Stern ohne Himmel”
zeichnen jedoch
der Jugendtreff Glonk sowie die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes
(VVN) verantwortlich.
[Übersicht]
Siegener Zeitung
vom 22.01.2003
»Zunächst wurde das Thema
totgeschwiegen«
Zeitzeugengespräch mit Holocaust-Opfer Peter
Gingold
Littfeld. »Bald wird es niemanden
mehr geben, der aus eigener
Erfahrung berichten kann, wie es damals gewesen ist.« Peter
Gingold ist
einer dieser letzten Zeugen einer Zeit, die oftmals verarbeitet wurde,
niemals jedoch an Wichtigkeit verlieren wird. Geboren im Jahr 1916, hat
er
die Verbrechen des Nationalsozialismus am eigenen Leibe erfahren.
Im Littfelder Jugendtreff
Glonk reichten die Sitzplätze nicht aus für die
Interessierten,
die den Erzählungen Gingolds - heute Bundessprecher der
Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes (VVN) - folgen wollten. Antje Mertens vom
Jugendtreff hatte das Zeitzeugengespräch in Zusammenarbeit mit
der VVN
organisiert. Den Anstoß hierfür gaben sechs
16-Jährige, die
sich unter dem Motto »Jugend gegen Rechts« seit
zwei Jahren gegen
rechte Gewalt engagieren.
Seine bewegende und
zugleich bewegte Lebensgeschichte arbeitete der 86-Jährige
beginnend
mit seiner Jugend auf. »Ich stamme aus einer
achtköpfigen
Familie«, begann Gingold. Die Familie habe unter der
Arbeitslosigkeit
des Vaters gelitten und das »große Elend«
zu Genüge
kennen gelernt. »Auch ich hätte ein begeisterter
Hitlerjunge
werden können«, räumt der
überzeugte Sozialist ein.
»Man konnte schon hereinfallen auf die
Scheinlösungen, die sie uns
anboten.«
Doch Gingold entschied sich
für einen anderen Weg: »Ein paar Jungs nahmen mich
eines Tages mit
zu einer Gewerkschaftsjugend-Gruppe.« Durch die habe er
schließlich Kontakt bekommen zur Kommunistischen Jugend. Mit
Glanz in
den Augen berichtete der 86-Jährige von den
spektakulären Tricks
beim Verteilen der Flugblätter. »Wer Hitler
wählt, wählt
den Krieg - dessen waren wir uns sicher.« Und genau dies
hätten er
und seine Freunde jedermann klar machen wollen.
Im Sommer 1933 musste
Familie Gingold von Frankfurt nach Paris fliehen. »Ich werde
den Tag
der Machtergreifung nie vergessen«, so Peter Gingold.
»Es ist
jetzt fast genau 70 Jahre her, doch die Erinnerung bleibt
lebendig.« In
Paris angekommen, knüpfte der damals 17-Jährige
direkt Kontakte zu
Hitlergegnern und wurde in der Résistance-Bewegung aktiv.
»Unsere
Aufgabe als Deutsche bestand darin, deutsche Soldaten in Frankreich
aufzuklären und zur Dissertation zu bewegen.
1943 geriet Peter Gingold
in Gestapo-Gefangenschaft. »Ich wurde gefoltert, und mein
Todesurteil
war so gut wie unterschrieben.« Durch eine List gelang ihm
jedoch die
Flucht. Paris und Italien waren weitere Stationen während des
Krieges.
»1945, als alles vorbei war, beschloss ich, nach Frankfurt
zurückzukehren.«
Das offene Reden über
seine Erlebnisse, so verriet Gingold gegenüber der SZ, helfe
ihm sehr
bei der Vergangenheitsbewältigung. Doch das sei nicht immer so
gewesen:
»In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg wurde das Thema
totgeschwiegen. Die ,Tätergeneration’ lebte noch
unter uns, und so
wollte man einfach nur verdrängen.« Erst mit einem
Generationenwechsel in den 70er und 80er Jahren habe man sich
für sein
Leben interessiert. Seither ist Peter Gingold ständig auf
Achse.
»In ganz Deutschland habe ich bereits vor jungen Leuten
gesprochen.« Er sei schließlich einer der letzten,
die noch aus
erster Hand berichten könnten. »Um mich herum wird
es immer
leerer.«
[Übersicht]
Siegener Zeitung
vom 28.01.2003
»Vergessen ist der falsche Weg«
60 Jahre nach der Deportation von Fred Meier /
Holocaust-Gedenkstunde in
Littfeld
js Littfeld. 60
Jahre sind vergangen seit der Deportation des damals
dreijährigen Fred
Meier aus Littfeld. Sechs Jahrzehnte, die die Verbrechen des
Nationalsozialismus nicht vergessen machen konnten, nicht vergessen
machen
durften. Am gestrigen Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers
Auschwitz, dem Gedenktag für die Opfer des NS-Regimes, hatten
sich rund
50 Menschen am Denkmal auf dem »Fred-Meier-Platz«
in Littfelds
Ortsmitte versammelt. Bereits seit 20 Jahren veranstaltet die
Gesellschaft
für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit diese
Gedenkstunde mit der
Stadt Kreuztal, seit drei Jahren mit zusätzlicher Beteiligung
des
Jugendtreffs Glonk.
Bürgermeister Rudolf
Biermann machte in seiner Ansprache auf die beiden vorangegangenen
Veranstaltungen im Gedenken an Fred Meier aufmerksam, zu denen sich
eine
ganze Reihe Interessierter im Littfelder Jugendtreff eingefunden hatte.
Sowohl das Zeitzeugengespräch mit Holocaust-Opfer Peter
Gingold (die SZ
berichtete) als auch die Vorführung des Films »Stern
ohne
Himmel« hätten großen Anklang gefunden.
»Vergessen ist nicht
der richtige Weg, die Vergangenheit zu bewältigen«,
mahnte Heiner
Giebeler von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische
Zusammenarbeit. »Es ist verständlich, dass wir stolz
sein
möchten auf unsere Geschichte. Wir wünschen uns oft,
das dunkelste
Kapitel des letzten Jahrhunderts zu verdrängen oder uns eine
nüchterne Betrachtungsweise anzueignen.« Das werde
jedoch
keinesfalls den Opfern des Holocaust gerecht: »So lange die
Betroffenen
und ihre Nachkommen noch unter uns sind, müssen wir uns
unserer
Geschichte stellen«, forderte Giebeler. Vergebung sei nur
dort
möglich, wo man sich zu seiner Schuld bekenne. »Wenn
wir eine
bessere Zukunft gestalten wollen, dann müssen wir zu unserer
Schuld
stehen.«
Der 27. Januar sei ein
geeigneter Tag, um junge Leute mit der Geschichte zu konfrontieren.
»Rassismus«, betonte Giebeler, »bedeutet
die Abwertung
anderer und war einer der Gründe für den Holocaust.
Diese
Geisteshaltung setzt Mechanismen frei, die auch noch heute
greifen.«
Was unsere Gesellschaft brauche, sei mehr Zivilcourage. »Wir
müssen unserer Jugend zu mehr Sachverstand und Durchblick
verhelfen, um
diese Tugend zu fördern.« Der Mensch werde nicht
entweder als
Feigling oder mutig geboren. »Es liegt an uns, dies zu
vermitteln.« Persönlicher Mut und innere
Stärke seien
lernbar. »Eine solche Auseinandersetzung sind wir den
NS-Opfern
schuldig.«
Rebecca Knipp und Sascha
Schleifenbaum von »Jugend gegen Rechts« riefen den
Anwesenden im
Namen des Jugendtreffs Glonk eine erschütternde Zahl ins
Gedächtnis: »Unter den Opfern des
nationalsozialistischen
Terrorregimes waren 1,5 Millionen jüdische Kinder.«
Fred Meier war
eines von ihnen. Grund genug für die Jugendlichen, das Leben
der jungen
Juden von damals zu verdeutlichen: »Seit dem 15. November
1938 war
Juden der Besuch von deutschen Schulen verboten.« Auch das
Halten von
Haustieren, Kino- und Konzertbesuche wären einem
16-jährigen Fred
verwehrt gewesen. Fred Meier habe seine Jugend jedoch gar nicht erst
erleben
dürfen: »Am 2. März 1943 wurde er zusammen
mit seiner Mutter
Minna deportiert und ermordet.« Aus der Erinnerung an den
Jungen und
all die anderen Opfer erwachse für die heutige Jugend die
Verpflichtung
zur Wachsamkeit und zu aktivem Handeln. »Niemand hier oder
sonst wo auf
der Welt soll zum Opfer von Ausgrenzung und Diskriminierung
werden!«
Beendet wurde die
Gedenkstunde mit der traditionellen Kranzniederlegung aller
Beteiligten.
»Die sich des Vergangenen nicht erinnern, sind verurteilt, es
noch
einmal zu erleben«, zitierte Rudolf Biermann die Inschrift
des
Fred-Meier-Gedenksteins. »Lassen Sie uns also unter
Einbeziehung
unserer Vergangenheit gemeinsam für ein friedvolles
Zusammenleben aller
Menschen auf der Basis demokratischer Grundsätze
einsetzen.«
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